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Salam aleikum

  • Autorenbild: annainisrael
    annainisrael
  • 2. Dez. 2015
  • 3 Min. Lesezeit

Salam aleikum, Shalom aleichem

Nach jedem Tag, jeder Unternehmung, jeder Begegnung fügt sich ein weiteres Steinchen in mein wachsendes Israel-Mosaik ein. Hier in einen Alltag eingestiegen zu sein hat bisher viele eindrucksvolle Einblicke ermöglicht.

Dabei stoße ich immer wieder auf ein großes Thema: die Beziehung von Israelis und Palästinensern, Juden und Muslimen, dazwischen arabische Israelis und ethnische Gruppen wie Beduinen und Drusen. Jede Unterhaltung bringt eine andere Sichtweise auf den schon Jahre anhaltenden Konflikt, den vor allem die Israelis mit den Palästinensern austragen. Meine Strategie ist bisher, möglichst unvoreingenommen zu beobachten und wohl überlegt zu antworten, wenn ich nach meiner Meinung gefragt werde.

Da mein Arbeitsumfeld jüdisch geprägt ist, eröffnete mir das vergangene Wochenende die Möglichkeit, eine andere Perspektive kennenzulernen.

Im Norden Israels, in den malerischen Landschaften Galiläas, lebt in dem kleinen Dorf Sallama eine freundliche Beduinen-Großfamilie, die ihre Türen für Gäste aus aller Welt geöffnet hat.

Die herausfordernde Anreise überstand ich nur mit Hilfe vieler hilfsbereiter Busfahrer und Einheimischer. Umso glücklicher war ich, als ich schließlich im Auto meiner Gastfamilie saß. Um dieser Dankbarkeit besonderen Ausdruck zu verleihen, sammelte ich all mein bisher gelerntes Hebräisch zusammen und war ziemlich stolz auf das, was dabei heraus kam. Der kleine Junge neben mir auf der Rücksitzbank fing allerdings beim ersten Wort schon an, symbolisch aus dem Fenster zu spucken. Ich überlegte schnell, was der Grund sein könnte. Meine Aussprache, mein Ausländersein, die Tatsache, dass sie extra auf mich gewartet hatten? Und dann fielen mir die Bedenken unseres Kochs ein: er war bezügliche meiner Wochenendpläne skeptisch gewesen, da er hinter den Beduinen die muslimischen Araber sieht.

Die Reaktion des Jungen wiederholte sich im weiteren Verlauf meines Besuches nicht (er wurde mein treuster Begleiter) und keiner der anderen Familienmitglieder zeigte mir gegenüber eine Ablehnung gegenüber dem Hebräischen oder Jüdischen. Das Bemerkenswerte ist, dass in den dortigen Schulen Hebräisch neben Englisch gelehrt wird. Jene Familie spricht unter sich Beduin und Arabisch.

Die Generation des Vaters war die erste, welche die uralte Tradition des Umherziehens mit Zelten und Herden aufgab und sich niederließ. Das Land sei zu teuer geworden mit den neuen Gesetzen und Regelungen der Landvergabe. So sieht das neue Zuhause seines Stammes heute wie ein modernes muslimisches Dorf aus. Von einer hübschen Moschee ruft der Muezzin fünf Mal täglich (er begann damit zuverlässig um fünf Uhr morgens vor dem ersten Hahnenschrei) zum Gebet und der Großteil der Frauen trägt auf offener Straße ein Kopftuch.

Die meisten Familien halten eine geringe Anzahl an Tieren, die durchaus erkundungsfreudig den Gehweg entlang stolzieren. Bei einem Spaziergang die ruhigen Straßen entlang schwebt einem der Geruch von Hühnern, Ziegen, Schafen und Pferden, von Fliegen begleitet, um die Nase. Es scheint sich jeder zu kennen und man grüßt sich freundlich.

Bei genauerem Hinschauen findet man weitere unscheinbare Hinweise auf den einstigen sehr naturverbunden Lebensstil.

So sind zum Beispiel viele Beduinen in der israelischen Armee tätig und lehren das Lesen und Verfolgen von Spuren.

Das herzhafte Abendbrot bestand aus Humus, Couscous-Rukola-Granatapfel-Salat, in Weinblätter eingewickelter Knoblauchreis, scharfem Gemüse, Oliven aus den umliegenden Hängen und warmem Brot. Im Anschluss an das Essen gab es einen süßen Schluck Tee. Alle Speisen waren selber zubereitet. Das Kochen scheint nach wie vor ausschließlich den Frauen vorbehalten zu sein. So sieht man tagsüber kleine eifrige Grüppchen in den Gärten an einem Tisch um eine große Schüssel herum Neuigkeiten austauschen und das Essen für die große Familie vorbereiten.

Die Nacht gab mir genügend Zeit, diese vielen Eindrücke zu verarbeiten. In der kurzen Zeit hatte ich vermutlich so viel Kaffe getrunken (die letzte schwarze Tasse um halb zehn abends), wie sonst zusammen genommen in einem halben Jahr. Eine Tante las aus meinem Kaffeesatz, jenes Wissen wurde über Generationen hinweg an sie weitergegeben. Ihr zufolge darf ich mich unter anderem auf eine baldige Geburtstagsfeier, zwei Geschenke und weitere Reisen freuen.

Diese offenen und unkomplizierten Menschen versprühten das Gefühl ehrlicher Gastfreundlichkeit. Das Leben in diesem Dorf kam mir einfach friedlich vor.

„Frieden“ wünscht man sich wortwörtlich auf Hebräisch, wenn man sich mit „Shalom“ (weniger gebräuchlich: „Shalom aleichem“) begrüßt oder verabschiedet. „Salam aleikum“ ist das Arabische Pendant dazu.

Der Wunsch nach Frieden scheint mir unabhängig von mancher Ähnlichkeiten ihrer Sprachen in beiden Völkern verankert zu sein.

Nach diesem Wochenende wünsche ich den Menschen in diesem und den umliegenden Ländern auch über ihre Staatsangehörigkeiten, Ländergrenzen und Religionen hinaus umso mehr jenen Frieden, den sie sich schon täglich untereinander mit auf den Weg geben.


 
 
 

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