Von scharfen Ziegen und zickigen Schafen
- annainisrael
- 14. Dez. 2015
- 4 Min. Lesezeit

Landidylle wie aus dem Bilderbuch: In dem kleinen Dorf Be’erotayim leben die jungen Farmbesitzer Anat und Guy mit ihrer großen und freundlichen Familie. Diese besteht aus drei Töchtern, einer Herde von Ziegen und Schafen, unglaublich gut aussehenden Hähnen (und das wissen sie sehr genau), einigen Hühnern, Hunden, Katzen und anderen Lebewesen, die sich manchmal, wie die Mäuse der Nachbarn oder Meister Lampe vom angrenzenden Feld, dazu gesellen. Zur Zeit haben alle Tiere auf dem Hof Nachwuchs. So hört man um den Misthaufen herum die Küken in der Nähe der Henne hell piepen, die Lämmer springen noch etwas unsortiert durch den Stall und rufen nach dieser Anstrengung hungrig ihre Mama, die Zicklein turnen frech auf den geduldigen Schafen herum und die Hündin ist froh, wenn sie ihre Welpen für ein paar Minuten alleine lassen kann und selber Streicheleinheiten abbekommt.
In dieses bunte Bild fügen sich bis zu drei Freiwillige ein, die Anat und Guy bei den täglich anfallenden Aufgaben unterstützen.
Morgens misten wir den Stall aus, füttern die Tiere, melken die Ziegen, helfen beim Holz hacken oder der Pflege des Gemüsegartens. Diese Stunden morgendlicher körperlicher Arbeit sind besser als jeder noch so gute Kurs im Fitnessstudio und werden um halb eins, wenn es zum Hüten ins Umland geht, weitergeführt. Das Ziel des Hütens ist es, die Bäuche der Ziegen und Schafe in jenen vier Stunden so gut wie möglich zu füllen. Davon sind diese wiederum abhängig von ihrer Tagesform mal mehr, mal weniger überzeugt.
Die ersten vier Tage machten wir uns zu zweit auf, am fünften Tag wurden mir die etwa 80 Tiere alleine überlassen. Dabei hoffte ich, mit Hilfe der Tipps und Tricks, welche mir meine Mitfreiwilligen Thiago und Hila, sowie Anat mitgegeben hatten, möglichst alle Tiere ohne Verluste oder große Schäden wieder heile nach Hause zu bringen.
Noch nie hatte es sich so gut wie am Ende jenes Tages angefühlt, das Gatter hinter der Horde abgerackerter und durstiger Tierchen zu schließen und in unsere kleine Hütte zurück zu kehren.
Wenn man ein paar Grundsätze der Vierbeinerpsychologie verstanden hat, ist das Hüten eigentlich eine wirklich nette Angelegenheit. So ist beispielsweise darauf Verlass, dass der bockige Rest der Gruppe früher oder später auch nachkommt, wenn man ein paar brave Tiere zum Weitergehen bewegen kann. Dabei hat sich die Taktik als vorteilhaft erwiesen, diese treuen Gefährten ab und an mit Schmeicheleien wie einer Extraportion an Khakis, Nüssen oder Streicheln zu belohnen. Andersherum folgen die Tiere dieser Dynamik auch, wenn sie es eigentlich nicht sollten. An einer schönen grünen Stelle zum Beispiel, wo viel Grün wächst, Pekannüsse von den Bäumen gefallen sind und essbereit am Boden liegen oder reife Früchte in einer verlassenen Obstplantage gut erreichbar tief an den Bäumen hängen, fällt es den jungen Böcken gerne ein, ihrer Energie freien Lauf zu lassen und fröhlich weiterzutraben.
Zu dieser Jahreszeit kommt noch eine andere Herausforderung hinzu. Auf den umliegenden Feldern fängt das Getreide an, sich in Form erster zarter grüner Halme durch die Erde zu kämpfen. Das kommt den Tieren nur zu Recht.
Besonders die trägen Schafe freuen sich, dass sie nur rechts und links des Weges anhalten müssen, um saftige Happen zu ergattern. Dann ist es an der Zeit, entweder wie verrückt geworden laut rufend und umherspringend zu versuchen, die gut genährten und damit ziemlich kugeligen Schafe von diesem Unfug abzuhalten oder die Ziegen an der Spitze des Zuges unbeirrt weiterzuleiten und auf möglichst wenig Schaden für die Bauern zu hoffen.
Amüsant bleibt dabei immer wieder, die Charaktere der Tiere zu beobachten. Besonders einige der Ziegen zeichnen sich durch sehr individuelle Eigenschaften aus. Da gibt es die Bockigen, die sich morgens mit allen Mitteln der Kunst weigern, gemolken zu werden. Die Scheuen braucht man nur einmal anzustupsen, wenn sie im Weg sind und sie springen schreckhaft davon. Es gibt daneben auch die Braven, die der hütenden Person gewissenhaft folgen und dadurch für die anderen vielleicht die Rolle des Spielverderbers übernehmen. Neben eher unscheinbaren Mitläufern zeichnet sich diese Herde weiterhin durch Einzelcharaktere aus, die es sich zu erwähnen lohnt.
„Chewbacca“ (zottelige Gestalt aus „Star Wars“), auch „Big Sexy“ genannt, verkörpert die Coolness der Gruppe. Er grast meist etwas abseits der Herde, möglichst auf einer zumindest kleinen Anhöhe. Er ist den anderen größenmäßig überlegen und neuerdings damit beschäftigt, einer armen Ziege, welche er sich anscheinend als Mutter seines nächsten Nachwuchses ausgeguckt hat, bis zur Erschöpfung hinterher zu sprinten.
„Elvis“, eine stattliche Ziege, verdankt ihren Namen der schwarzen Haartolle, die sie auf der Stirn vor sich herträgt.
„Sunshine“, ich taufte sie „Good Mama“, ist die größte weibliche Ziege und wie ihr Name sagt, von froher Natur. Morgens beim Betreten des Stalls zum Ausmisten und Füttern kommt man zunächst nicht voran, bis man ihr eine ausreichende Portion Zuneigung hat zukommen lassen. Dabei liebt sie es, ihren Kopf an Hose, Jacke, Pullover, irgendeinem freien Körperteil zu schubbern und steht konsequent im Weg, wenn sie nach ihrem Gefühl nach noch nicht reicht.
Die Menschen und Tiere dieser Farm sind sehr herzlich, besonders Anat sorgt sich sehr darum, dass es auch den Freiwilligen gut geht. Und alleine fühlen muss man sich hier nicht. Ein über Gesellschaft dankbares Wesen findet sich immer und es hat ich darüber hinaus herausgestellt, dass die Tiere für Gespräche, Klarinetten-Gedudel, selbst bei Mundharmonika-Versuchen und schrägem Gitarrengeklimper die besten Zuhörer sind.


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