19 sind alle guten Dinge
- annainisrael
- 20. Jan. 2016
- 3 Min. Lesezeit
Knallgelber Federhut, „I ☺︎ 90s“-T-Shirt und ansteckend gute Laune: Daniel zeigt Touristen jeden Mittwoch in Haifa als leidenschaftlicher Stadtführer seine Lieblingsplätze, teilt persönliche Geschichten mit ihnen und bringt sie während dieses wie im Flug vergehenden vierstündigen Stadtspazierganges ganz sicher mehrere Male zum Lachen.
Eine kleine Auszeit von den Ziegen und Schafen nahm ich mir vergangene Woche, als ich nach Haifa fuhr. Vermissen musste ich meine Tierchen allerdings nicht, hatten sie beim letzten Besuch im Stall vor der Abfahrt doch meine einzige saubere, fleckenlose Jacke angeniest, deutliche Knabberspuren hinterlassen und liebevolle Hufabdrücke auf die Hose gesetzt.
Unsere Tour begann mit einer Fahrt der kürzesten - und landesweit einzigen - U-Bahn, „Carmelit“ genannt. Diese Bahn verbindet den unteren und älteren Teil Haifas mit der oberen Stadt. Über fast zwei Kilometern hält man an sechs Stationen, passiert eine unterirdische Mini-Freiheitsstatue und kaum hat man sich hingesetzt, ist man eigentlich auch schon am Ende der Linie angekommen.
Von Donnerstag bis Dienstag arbeitet Daniel als Guide in den Bahai-Gärten. Als wir diese betraten, hatten wir auf unserer Reise über mehr als 1500 Treppenstufen, vorbei an kunstvoll angelegten Gartenlandschaften und Wasseranlagen einen von seinem Fach begeisterten Experten an der Seite.
Zwei im 19. Jahrhundert im heutigen Iran geborene persische Muslime prägten diesen relativ jungen Glauben, Bab und Baha’ullah genannt. Für die Bahais folgen jene beiden als Letzte in der Reihe den vorigen Religionsstifter Abraham, Krishna, Moses, Zarathustra, Buddha, Jesus Christus und Mohammed.
Man könnte sagen, dass sie ihrer Zeit mit ihren aus heutiger Sicht fortschrittlichen und liberalen Ideen einfach zu weit voraus waren, was sich unter anderem in der radikalen Verfolgung der ersten Glaubensanhänger und der Erschießung des Bab widerspiegelt. Indem er sich öffentlich für die Rechte der Frauen und Armen stark machte, wurde jener kleine Revolutionär mit seiner Hoffnung versprechenden Botschaft von der muslimischen herrschenden Klasse als ernsthafte Bedrohung angesehen.
Der Schrein des Bab ist heutzutage ein beliebtes Pilgerziel. Bahais aus aller Welt kommen nach Haifa, um dort freiwillig für bis zu fünf Monate in den Gärten zu arbeiten. Die 19 Terrassen, am Fuß des Berg Carmel in der sogenannten „Deutschen Kolonie“ beginnend, zusammen mit dem Tempel und Verwaltungsgebäuden, bieten den Freiwilligen ein weites Feld an Einsatzmöglichkeiten.
Die Hauptachse der Gärten zeigt nach Akko, der kleinen Fischerstadt, auf der gegenüberliegenden Seite von Haifas Bucht gelegen. Dort ist Baha’ullah begraben, welcher das Werk des Bab fortführte und wegen seines gesellschaftlichen Ansehens lediglich durch Verbannung (aus dem damaligen Persien in das Osmanische Reich) und Gefängnisstrafe an der Ausführung seiner Arbeit gehindert wurde. Es wird gesagt, dass Baha’ullah von seiner Zelle in Akko aus durch ein kleines Fenster den Berg Carmel jeden Tag sah und er für ihn über die Zeit als Symbol der Freiheit heilig wurde.
Daniel hob bei seinen Erklärungen des Bahai-Glaubens deren Universalität hervor. Ihr Streben nach Frieden und Glaube an die Gleichheit aller Menschen unabhängig von Religion, Alter, Herkunft, Geschlecht spiegelt sich in der Gartenlandschaft, beispielsweise in den exakt gleich geschnittenen Büschen einer Art wieder. Der Tempel mit goldener Kuppel, welcher den Schrein beherbergt, verbindet darüber hinaus in seiner Architektur dem hiesigen Kulturraum zugeordnete Elemente mit denen europäischer Sakralbauten.
Ein weiteres sich wiederholendes Detail in jeglicher Ausgestaltung des Gartens und seiner Gebäude, seien es die Fenster des Tempels oder Büsche eines Beetes, ist die Zahl 19. Zurückzuführen ist dies auf die wohl 19 ersten Anhänger Baha’ullahs. Auch der Bahai-Kalender besteht aus 19 Monaten mit jeweils 19 Tagen, für 19 Tage sollten Bahais jährlich Fasten…
Als ich später um pünktlich 19 Uhr wieder in dem ruhigen Be’erotayim angekommen war, blickte ich glücklich auf zwei inspirierende Tage zurück, die mit dieser besonderen Tour einen wunderschönen Abschluss gefunden hatten.

Daniel kam mit fünf Jahren mit seinen Eltern aus Russland, Sankt Petersburg, nach Haifa

Haifas Bucht überragend: Die Bahai-Gärten. Am anderen Ufer erblickt man die Umrisse Akkos

Den Raum des Schreins in dem Tempel betritt man ohne Schuhe und es herrscht vollkommene Stille

Beim Erkunden des muslimisch-christlichen Viertels Wadi Nisnas

Davon könnte man keine 19 Stück auf einmal vertragen

Daniel und die Ladenbesitzer luden großzügig zum Probieren ein. So kamen wir hier und an anderen Stellen in den Genuss getrockneter Früchte, Nüssen, dem süßen Snack "Halva", hausgemachtem starkem Kaffee, Falafel und Humus

"Gesegnet seien die Friedensstifter" an der Mauer vor einer Kirche
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