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Neuer Hof, neues Glück

  • Autorenbild: annainisrael
    annainisrael
  • 22. Feb. 2016
  • 4 Min. Lesezeit

Etwas im Tal gelegen, mit direktem Blick auf Palästina hinter dem stacheligen Grenzzaun, zur Zeit von weitem Grün umringt, vor dreißig Jahren noch reines Brachland gewesen. Heute beherbergt dieser Fleck Erde die „Tsedek Farm“. Insgesamt umfasst sie 15000 Denum, welche beispielgebend für die restlichen Ausmaße des Hofes sind. In jener Maßeinheit entspricht ein Denum 1000m².

Mit etwa 700 Ziegen, einer 120 Tieren zählenden Kuhherde, einem stolzen Hühnerstall und großer Käserei beherbergt dieser Hof wahrhaftig viel Leben.

Morgens geht das Melken vor sieben Uhr los. Während im Sommer etwa 400 Liter mit einer Melkanlage gewonnen werden, erarbeiten wir uns zur Zeit zwischen 20 und 30 Litern mit der Hand. Hiernach werden die Milchziegen auf die saftige Weide getrieben, während sich der Rest der Herde zum Weiden mit Muhammad, dem Chefschäfer, in die umliegenden Wiesen aufmacht.

Die kräftigen Kühe sind etwas langsamer zum Rausgehen zu bewegen, trotten aber morgens ebenso brav in die Welt hinaus. Sie kommen nachmittags selbständig nach Hause und lassen uns ihre Ankunft mit unüberhörbaren, kräftigen Rufen bemerken. Manche Kühe lassen sich allerdings unabhängig von den anderen Herdenmitgliedern so viel Zeit beim Abgrasen und Erklimmen ihrer Hügel, dass ich ihnen abends im Dunkeln auf dem Weg zu meinem Häuschen begegne. Plötzlich vor einer riesigen, gut genährten Kuh zu stehen, die aus dem Busch getrabt kommt (ihre Hörner sind nachts noch beeindruckender), jagt mir immer einen ziemlichen Schrecken ein.

Das Halten von Tieren bringt auch hier einen geregelten Tagesablauf mit sich. Morgens und nachmittags wird der Unkrautdschungel beschnitten, welcher den kranken Tieren im sogenannten „Krankenhaus“ - eine bunte Truppe aus hinkenden Schafen, kranken Ziegen und Kälbern - gefüttert wird. Sind die Tiere erst einmal versorgt, wartet der Rosengarten aufs Beschnittenwerden, die Produkte des Hofladens werden für den Verkauf vorbereitet, neue Sitzgarnituren werden lackiert und ein neues Projekt ist, ein größeres Gehege für die Jungkühe anzulegen, welche noch zu Hause bleiben.

Am Nachmittag beginnt die zweite Besuchsrunde der einzelnen Ställe. Zwei Kälber wurden von ihren Müttern abgestoßen und werden mit der Flasche gefüttert. Mit überdimensionaler Babyflasche und einem Eimer Milch bewaffnet geht es zunächst zu dem schwächeren der beiden Kälber. So ganz kann ich nicht glauben, dass es blind, lahm und taub ist. Wenn ich nämlich nach der ersten Portion die Flasche wieder auffülle, kommt es zu einem amüsanten Davonlaufen mit der ganzen Ausrüstung. Es tapst etwas wackelig hinter mir her und sucht mit seiner hungrigen Nase und großen, rauen und lilafarbenen Zunge nach der Flasche. Trotz aller Bemühungen lässt es sich nie vermeiden, ein liebevolles Sabber-Kunstwerk auf die Hose zu bekommen.

Das zweite Kalb dagegen ist ein kleiner Rabauke. Eine Stunde vor der eigentlichen Fütterzeit ruft es manchmal schon lautstark nach der Milch und grunzt jeden an, der dem Gehege nahe kommt. Seine zwei Flaschen sind ihm nie genug. Erst drückt er seine Unzufriedenheit in empörten Lauten aus. Nachdem er verstanden hat, dass sogar schon der Nachtisch verspeist ist, sprintet er in großen Sätzen zu den anderen und versucht sein Glück bei den Schafen. Er sucht unter den Beinen, am Bauch, am Schwanz, an den Ohren nach mehr Milch. Zu seinem Pech ist nicht einmal ein weibliches Schaf unter ihnen.

Sicherlich weniger schwungvoll, aber genauso gerne esse auch ich hier. Was die Kinder von Tsedek und Irit als „Problem“ bezeichnen, finde ich sehr bewundernswert: Das Essen stammt zum großen Teil aus eigenem Anbau und wenn nicht, muss es das Siegel „Äußerst Gesund“ tragen. Das Frühstück mit frisch gemolkener, lediglich gefilterter Milch, Früchten und selbst gebackenen Keksen oder Kuchen ist ein besonderes Ereignis.

Zum Mittagessen werden wir mit einem von Irit gekochtem vegetarischen Teller beglückt und abends gibt es Salat mit eigenem Käse.

100% Bio bekommt man aber nicht umsonst. Die Arbeit beginnt mit Sonnenaufgang und endet, wenn sich die Hühner beim Dunkelwerden auf ihre Stangen begeben. Die Ziegen werden sieben Tage die Woche für mehrere Stunden zum Grasen an die frische Luft begleitet. Die lediglich wegen des Fleisches gehaltenen Kühe verbringen das Zwanzigfache der Zeit industriell gehaltener Mastkühe auf diesem Hof. In der Käserei beanspruchen vor allem die Hartkäse besondere Zuwendung, da alle 10 bis 14 Tage die gewachsene Schimmel- und Pilzschicht abgewaschen wird und sie einzeln für schmackhaftere Ergebnisse umgedreht werden.

Trotz all der anfallenden Aufgaben, welche nicht zu enden scheinen, bleibt zwischendurch doch immer die Zeit, im „Kindergarten“ vorbei zu schauen. Die Zicklein bleiben zu Hause, während ihre Mütter eine Pause zum Grasen nehmen. Sie springen lebenslustig im Stall herum, verfolgen interessiert das Geschehen um sie herum und manchmal kommt es Drew (dem großen Hütehund im Ziegengehege) in den Sinn, tapsig mit ihnen zu spielen.

Zur Zeit warten wir auf weiteren Nachwuchs von circa 300 Ziegen. Die Babysaison wird dieses Jahr anscheinend sehr spät beginnen, weshalb es weiterhin spannend bleibt.

Wir sind wieder da! Nach dem Weiden wartet die Herde nachmittags mit vollen Bäuchen darauf, in den Stall gelassen zu werden

Wir sind wieder da! Nach dem Weiden wartet die Herde nachmittags mit vollen Bäuchen darauf, in den Stall gelassen zu werden.

Die Jungkühe grasen die dank des regenreichen Winters noch grünen Wiesen ab. Im Hintergrund ist Palästina erkennbar. Hinter der Straße, mit dem Kreisel in der rechten Bildhälfte verläuft schon die Grenze, welche von israelischer Seite streng bewacht wird

Die Jungkühe grasen die dank des regenreichen Winters noch grünen Wiesen ab. Im Hintergrund ist Palästina erkennbar. Hinter der Straße mit dem Kreisel in der rechten Bildhälfte verläuft schon die Grenze, welche von israelischer Seite streng bewacht wird.

Über die gleiche Wiese, nur von der anderen Seite, blickt man auf das Gehege der erwachsenen Kühe. Hinter den Bäumen erstreckt sich die Weidelandschaft

Über die gleiche Wiese, nur von der anderen Seite, blickt man auf das Gehege der erwachsenen Kühe. Hinter den Bäumen erstreckt sich die Weidelandschaft.

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